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Begleitung psychisch kranker Menschen

Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit sind Parameter, die bei der Begleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen eine enorm wichtige Rolle spielen. Betroffene haben es zumeist sehr schwer: Die Erkrankung setzt ihnen seelisch und körperlich zu, das Umfeld erschwert zusätzlich in manchen Fällen eine regelmäßige Behandlung und das Gesundwerden. Oft wäre es möglich eine psychische Erkrankung zu heilen, manchmal wird oder ist eine Krankheit auch chronisch. Betroffene haben dann bessere und schlechtere Zeiten. Es gibt auch Formen psychischer Erkrankungen die bis heute unheilbar und manifestiert sind. Diese Menschen benötigen dann zumeist umfassende Betreuung und Hilfe, sowie Begleitung im Alltag und vor allem ärztliche Unterstützung, um ihr Leben zu bewältigen.

Multiprofessionelle Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen für psychisch Erkrankte und deren Angehörige erweist sich in den letzten Jahren als sehr positiv. Auch Lebens- und SozialberaterInnen können Begleitung (nicht Beratung) für psychisch erkrankte Menschen leisten. Neben ÄrztInnen, FachärztInnen,
TherapeutInnen und KrankenpflegerInnen, sowie SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen und anderen Professionen, können Lebens- und SozialberaterInnen die Rolle des zuhörenden Begleitens einnehmen.

Besonders wichtig ist die Kontinuität der Begleitung. Diese vermittelt unseren KlientInnen Halt und Sicherheit, Stabilität in ihrer Welt, wo gerade nichts mehr stabil scheint. Diese zusätzliche Begleitung kann so zu einer nachhaltigen Rehabilitation und zur Wiedergesundung bzw. Akzeptanz der Erkrankung, sowie Stärkung der betroffenen Person beitragen. Auch für die Familien, PartnerInnen und die Angehörigen von Erkrankten kann es wichtig sein, Gespräche außerhalb des Bekanntenkreises führen zu können. Die Belastungen sind oft hoch, die Angehörigen oft erschöpft und teilweise schwer überlastet. Hier kann mit regelmäßiger und verlässlicher Beratung und Begleitung der Angehörigen von psychisch kranken Menschen geholfen werden. Das Ziel ist hier deren Gesundheit präventiv zu erhalten und durch die Krise zu helfen, bis diese Menschen wieder Kraft und Mut getankt haben und wieder selbstbestimmt ihr Leben meistern können.

Menschen mit psychischen Erkrankungen, die bei PsychiaterInnen, diversen ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen in Behandlung sind, leiden auch 2023 noch unter einem zumeist negativen Stempel, der ihnen von unserer Gesellschaft aufgedrückt wird. Psychiatrische Diagnosen ziehen leider immer noch oft Ausgrenzung und Ablehnung nach sich, was bei betroffenen Personen das Gesundwerden und die Behandlung zusätzlich noch schwerer macht.

Eine psychische Erkrankung ist auch heute noch ein Tabu. Da allgemein zu wenig darüber bekannt ist, halten sich uralte Haltungen und Ängste den Kranken gegenüber. Das kann einer der Gründe sein, weshalb sich psychisch erkrankte Menschen seltener früh genug Hilfe suchen, als Menschen mit einer körperlichen Erkrankung. Oft berichten mir Betroffene, dass sie Angst hatten für „irre und krank im Hirn gehalten“ zu werden. Im Vergleich dazu, denkt kaum jemand mit einer Verletzung am Bein darüber nach was jemand von ihm oder ihr halten wird, wenn er oder sie sich behandeln lässt. Viele Betroffene denken selbst, dass sie „verrückt“ werden, haben Ängste vor dem was kommen könnte und versuchen oftmals mit Rückzug und Isolation ihre Erkrankungen im Alleingang zu meistern. Grundsätzlich verschlimmert dies zumeist die Gesamtsituation und es kommt nicht selten zu einem Notfall, der möglicherweise zu einem ersten Erkennen der Erkrankung während eines Krankenhausaufenthalts führt. In einer Psychiatrie dauert ein Aufenthalt oft
mehrere Wochen, hilft den Betroffenen aber stets. Das Einstellen von Medikamenten braucht Zeit. Engmaschige Kontrollen durch Ärzte und Therapeuten sollen den Menschen helfen. Psychotherapie und auch Alltags- sowie Ressourcentraining bereiten auf den Start zu Hause vor. Auch auf eine gute Anbindung außerhalb der Klinik wird in der Psychiatrie geachtet: Mit SozialarbeiterInnen wird, wenn gewünscht, über die Wohnsituation, Beihilfen, den Job oder Jobwunsch und andere Dinge im Alltag zu Hause geredet. Durch diese Unterstützung erhält man, wenn man es möchte und braucht, Hilfe von außen, sodass ein Netzwerk aufgebaut wird, das Betroffenen Sicherheit und Halt gibt. Mit Hilfe von Medikation und Therapie werden Menschen, die sich früh genug helfen und begleiten lassen oftmals gesund oder können, wie bei anderen chronischen Erkrankungen, eine ambulante Betreuung oder noch einfacher mit regelmäßigen Terminen bei ihren FachärztInnen ihr Leben selbstbestimmt und selbstständig führen.

Unsere Gesellschaft hat für psychisch Kranke nicht besonders viel Empathie über. Mit den folgenden Aussagen und Wörtern, die mir beinahe tagtäglich in meiner Arbeit in der Psychiatrie begegnen, teilweise Aussagen oder Erzählungen von den PatientInnen selbst, die zumeist resigniert, bis verzweifelt sind und sich nicht vorstellen können, je wieder als „normal“ angesehen zu werden, möchte ich zeigen wie negativ Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich 2023 noch gesehen werden bzw. sich selbst sehen:

Die Leute reden von „geisteskrank“, „krank im Kopf“, „blöd im Hirn“, „irre“ und „Irrenhaus“, „Klapse“ und „Klapsmühle“, „dumm“, „paranoid“. Sie machen psychisch Kranke als „Psycherl“ und „Idioten“, „Trotteln“ und „Schizo“ herunter, sie bezeichnen sie als „unbrauchbar“, „faul“ und „nicht normal“.

Für Betroffene ist das entwürdigend, ihr Selbstwertgefühl zeigt sich beim Start einer Behandlung oft als sehr niedrig. Mit Medikamenten, Psychotherapien, Alltagstraining, Ressourcentraining und diversen anderen Therapien versuchen wir miteinander in einem multiprofessionellen Team den Menschen zu helfen, wieder ihren Selbstwert aufzubauen, wieder Schlaf und einen Tagesrhythmus zu finden und ihr Leben, auch als Kranke, als lebenswert und wertvoll zu verstehen. Wir Lebens- und SozialberaterInnen arbeiten mit psychisch gesunden Menschen in diversen Krisen, bei Entscheidungsschwierigkeiten und systemischen Problemen.

Unterstützung und Begleitung, als Zusatz zu psychiatrischer, ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe, dürfen wir aber auch psychisch erkrankten Menschen und natürlich deren Angehörigen bieten.

#Redenhilft #mentaleGesundheit #mentalhealthmatters #LSBistPrävention

Autorin: Isabella Schwärzler ist Lebens- und Sozialberaterin, Sozialpädagogin und Philologin, sie arbeitet im LKH Rankweil in der Erwachsenenpsychiatrie sowie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Bregenz. Die Begleitung und Betreuung von Menschen mit Erkrankungen aller Art ist wichtig. Mehr darüber zu sprechen, löst hoffentlich eines Tages das Tabu auf, welches die Diagnose „psychisch krank“ mit sich bringt. Weitere Informationen finden sich hier...
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